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Klaus Windhöfel Existiert Gott?

 

Anthropisches Prinzip: die Anfangsbedingungen un-seres Universums scheinen wie für den Menschen ge-

macht: Das Problem der

Flachheit

Nun wird es etwas komplizierter. Die Ges-

talt unseres expandierenden Universums hängt unendlich genau von der Feinjus-

tierung im Urknall ab. Die allermeisten Uni-versen hätten nur eine kurze Lebensdauer gehabt, bevor sie wieder kollabiert wären oder sie wären mit viel zu großer Expan-sionsgeschwindigkeit auseinander geflogen

und hätten niemals die Chance gehabt, lo-

kale Gravitationsanomalien zuzulassen, die

die Keime für Sonnen und Galaxien dar-

stellen, die speziellen Voraussetzungen für die Entstehung der schweren Elemente durch

Kernfusion in den großen überschweren Sonnen und den späteren Planeten der Sonnen der

nachfolgenden Generationen. Alle chemischen Elemente, die wir auf der Erde und in unserem

Körper finden, sind durch viele Sonnen hindurchgegangen, die längst in einem Schwarzen Loch

kollabiert sind, aber nicht, ohne zuvor in einer gewaltigen Explosion ihre kostbare Fracht (C, O, N, Fe, Ca samt aller schweren Elemente wie Si, Al, Ma und Ni, woraus der Erdmantel hauptsächlich besteht) wie Samen in den Weltraum ausgestreut zu haben (Supernovae). Bei zu großer Geschwindigkeit der Expansion bzw. hyperbolischer Krümmung der Raumzeit hätten die lokalen Gravitationsanomalien keine Zeit gehabt, nach Art eines Staubsaugers alle sichtbare Materie in ihrem Umfeld aufgrund ihrer immer stärker werdenden Schwerkraft aufzusaugen. Die Materie wäre längst in alle Winde zerstreut gewesen, bevor solch ein schwerfälliger Koloss "auf den Gedanken gekommen wäre", seinen Staubsauger einzuschalten. Im gegenteiligen Extrem wäre alles zu rasch verklumpt und das gesamte Universum wäre wegen seiner zu großen Schwere wieder implodiert. Und jetzt kommt das Aufsehenerregnde und (anfangs) schlicht Unerklärliche: Wieso ist unser Universum exakt so eingestellt, dass es einerseits nicht zu schnell auseinanderdriftet und andererseits nicht so viel (sichtbare) Materie enthält, dass es sich an seiner eigenen Schwerkraft verschluckt hätte. Wie gesagt: dürften wir nur den Zufall bemühen, so hätten wir gleich am Anfang einen Sechser im Lotto gewonnen. Denn diese sgn. "Flachheit der Raumzeit" ist so ziemlich das Unwahrscheinlichste von allen denkbaren Möglichkeiten. Ich muss noch hinzufügen, dass hier immer die Raumzeit gemeint ist. Nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie (ART) krümmt Masse/Energie die Raumzeit und umgekehrt: wenn eine hochintelligente Spezies in der Lage wäre, Einfluss auf die Krümmungsverhältnisse der Raumzeit zu nehmen, dann wäre sie so mächtig wie Gott und könnte aus dem Nichts Energie generieren. Also: welche Werte oder Größen mussten nun exakt

eingestellt werden und um welchen Betrag, um die Flachheit, d.h. Langlebigkeit eines lebensdienlichen Kos-mos zu garantieren? Hier geht es nicht um ein paar

Hundertstel oder Tausendstel, das, was normalerweise die üblichen Fehlertoleranzen von technischen Hoch-

präzisionsmaschinen sind. Es geht um das Verhältnis der Massendichte eine Sekunde nach dem Urknall (!!) zur sgn. kritischen Dichte (Omega). Omega muss nahe bei eins sein, damit ein solches Universum entstehen kann, das unsere Gestalt hat. Robert Dicke, der Lehrer von Alan Guth, von dem schon die Rede war, fand heraus, dass "unser" Universum nach der ersten Sekunde mit einer Genauigkeit von 1:1014 feinjustiert gewesen sein muss. Wenn demnach ein höheres Wesen oder Gott unbedacht an den Knöpfen herumgespielt hätte, indem er die Einstellung für Omega nur um den Faktor

1, 00 000 000 000 001 zu groß oder um 0, 99 999 999 999 999 zu gering vorgenommen hätte, so wären bereits nach 30 Sekunden (!!) lebensuntaugliche Universen entstanden. An diesem Beispiel wird auch deutlich, wie sehr der weitere Fortgang der Evolution eines Universums von seinen An-

fangsbedingungen abhängt.

 

Aber das wundert uns nicht wirklich, weil wir bereits aus den Alltagserfahrungen viele Ereignisse kennen, wo winzigste Ursachen zu kaum vorausberechenbaren, erheblichen Wirkungen und Veränderungen führen. Das kann in einer kausal verfassten Welt gar nicht anders sein. Denken sie an den kleinen Fahrfehler auf der Autobahn, man ist kurz abgelenkt, telefo-

niert mit dem Handy und schon kann man die halbe Sekunde nicht mehr zurückdrehen, die zu der Massenkarambolage führte, die Anderen, Unbeteiligten das Leben kostete. Deswegen ist das Ur-

knallmodell auch solch eine gewaltige philosophische Revolution, weil seitdem völlig klar ist, wie alles von kleinsten Ursachen abhängt und das Vorangehende weitestgehend das Nachfolgende deter-

miniert. Ist ja auch irgendwie logisch und evident. Das Größere und Umfassendere bedingt das

Kleinere und Filigranere, weil es schlicht und einfach dieses zur Voraussetzung hat. Wäre die Feinabstimmung so nicht erfolgt, dann hätte es nicht einmal Sonnen geben können, damit auch keine schwereren Elemente, damit natürlich auch keine Planeten der fortfolgenden Sternengenerationen, damit natürlich auch keine langlebigen Sonnen, damit auch keine spontane Urzeugung von Zellen in den Meeren (?) oder wasserhaltigen Atmosphären, damit auch kein Leben und keine Aufwärts-entwicklung in der Säugetierreihe. Wohlgemerkt: Wir sind erst bei einer von weiteren notwendigen Feinabstimmungen für einen Kosmos, der Leben tragen soll. Das Genie eines Alan Guth erfand deswegen die Inflationstheorie, die die Flachheit auf "natürliche" Weise erklärt. Doch man handelt sich Probleme anderer Natur ein, auf die ich an dieser Stelle nicht eingehen möchte.

© by Klaus Windhöfel

Der Philo-

soph Imma-nuel Kant: Was kann ich wissen?

Was soll ich tun?

Was darf ich hoffen?

Was ist der Mensch?

Die erste Frage beantwortet die Metaphysik, die zweite die Moral,

die dritte die Religion und die vierte die Anthro-pologie. Im Grun-de könnte man aber alles dieses zur Anthropologie rechnen, weil sich

die drei ersten Fragen auf die letzte beziehen.

 

Mein Kommentar dazu: im Grunde stehen wir heute in nachreligiöser Zeit stets vor uns selbst. Demnach kön-nen wir niemand an-

deren fragen außer uns selbst, wozu wir da sind.