Gottes Selbsterweis II

Klaus Windhöfel Existiert Gott?

 

Feuerbach meinte, durch die Entdeckung des Projektionsmechanismus Religion und Gott widerlegt zu haben. Ich halte das Gegenteil für richtig.

 

Das Inflationsmodell führt uns am weitesten zurück. Ich spreche deswegen von Projektion, weil unter Annahme von vernünftigen quantenphysikalischen Erkenntnissen, die durchaus in Experimenten bestätigt sind, rückwärtsextrapoliert wird in eine Zone der Unanschaulichkeit und Abstraktheit, die freilich quanten-

theoretisch Sinn ergibt. Die Relativitätstheorie versagt ihren Dienst unterhalb der atomaren Maßstäbe, obwohl sie aussagekräftig ist für die großen Skalen des Kosmos. Das war immer die Schwäche des Urknallmodells. Die Rückwärtsberechnung der Expansion unseres Universums führte zu immer kleineren Bereichen und höheren Dichten bzw.Temperaturen. Was lässt sich damit anfangen, wenn an diesem Punkt alles gegen unendlich strebt? Man gelangt nun aber unweigerlich in diese winzigen Bereiche hinein und so wurde die Quantenkosmologie geboren. Quanteneffekte ließen sich nun nicht mehr leugnen in der Geburtsstunde unseres Universums, dort, wo die Relativitätstheorie versagte. Nun müssen wir jedoch erkenntnistheoretisch konzedieren, dass wir an dieser absoluten Grenze wie einst der akosmistische Gott in seiner Allmacht und Souveränität eine (unerlaubte) Außenposition einnehmen. Denn wir schweben, wenigstens gedanklich, über den Dingen des Anfangs, ausgerüstet nur mit den (vernünftigen) Annahmen der Quantentheorie und der (logisch notwendigen) Einräumung eines geistigen Bereichs bloßer Essenzen oder Potenzialitäten, zu denen unter anderem die Mathematik gehören samt der vielfältigen Formen, unter denen viel später - nachweislich für uns auf dem Blauen Planeten, aber sehr wahrscheinlich auf vielen anderen ebenso - die Gottesfrage und die Fragen nach Sinn und Bedeutung auftreten werden. Außerdem müssen wir eine weitere Prämisse einräumen: Am Anfang war ja nicht nur das Nichts, also weder Raum noch Zeit. Deswegen ist der Begriff "Urknall" irreführend. Es gab ja keinen Raum, in welchen hinein Materie hätte explodieren können. Dennoch kann nicht nur "Nichts" gewesen sein. Wie ich vorhin schon ausführte mit Bezug auf Gassner muss das (geistige) Prinzip der Quantentheorie oder -mechanik irgendwie vorhanden (auch wieder so ein Wort, das sogleich die Projektion verrät!) gewesen sein und die bloße Potenzialität der Expansion der Raumzeit. Auch wenn es noch keinen Raum gab, so muss doch die Möglichkeit dazu bestanden haben. Wir sehen, dass an dieser Erkenntnisgrenze doch hier und da noch was durchschimmert. Meiner Spekulation zufolge existiert an diesem Punkt keine Unterscheidungs-möglichkeit zwischen Gott, dem Schöpfer und Wesen aus einem Mutteruniversum, die mit Willen, Wissen und Bewusstsein den Lauf "unseres" Universums in Gang gesetzt haben. Wir befinden uns eben an der Nahtstelle, dem Nullpunkt - schauen Sie sich bitte noch einmal meine Grafik unter "Außerkosmische" an -

am Berührungspunkt der beiden Dreiecke. Ich habe bewusst den Ausdruck "Schnittpunkt" vermieden, deswegen haben wir (noch) keine Möglichkeit, in ihr Universum Einblick zu nehmen, d.h. unser Mutter-

universum näher kennenzulernen bzw. unsere Schöpfer. Möglicherweise gibt es aber einen geistigen Zugang. Daher könnte sich die seit den antiken griechischen Philosophen bekannte Unterscheidung zwischen einem rein geistigen Bereich der Essenzen und der Möglichkeiten und dem aktuellen Sein, also dem Zusammenhang zwischen Essenz und Existenz erklären. Gewisse Formen und Essenzen scheinen einfach vorgegeben, besonders deutlich wird dies in Mathematik und Geometrie. Ein idealer Kreis ist nirgendwo anschaulich gegeben, höchstwahrscheinlich auch nicht auf Epsilon eridani c, ebensowenig die natürlichen Zahlen, nirgendwo tritt exakte Identität auf und trotzdem wissen wir davon. Ein Kreis lässt sich gar berechnen. diese Formen reinen Denkens und bloßer Abstraktionsmöglichkeit müssen seit Anbeginn an (von außen? vom Mutteruniversum?) zu den Potenzialitäten unseres Universums gehört haben, die wir

je nach Entwicklungsgrad aktualisiert haben. Falls wir dereinst einmal Botschaften von Außerirdischen empfangen, würde es gewiss der Befriedigung der Neugier dienen, wie sie aussehen, ob es dort bei ihnen auch schöne Frauen gibt und ob sie so etwas wie Mode kennen und Fernsehprogramme mit Casting-shows, viel wichtiger dürfte jedoch der Vergleich der Anschauungen, der abgleich der Mathematik sein. Ich gehe davon aus, dass sie auch die Reihe der natürlichen Zahlen kennen werden und die Idee der Gerechtigkeit, falls sie eusozial leben sollten.

Statt Gott kann man auch die

"Außerkosmischen" setzen, also

Wesen aus einem Mutteruniversum,

die den Urknall generierten und die Feinabstimmung so exakt durchführten, dass sie auf der "anderen Seite" sich eines Tages wiederentdecken würden.

Die Quantentheorie mag für sie als höchst entwickelte, vernetzte Wesen aus ihrem Mutteruniversum heraus das ultimative Prinzip gewesen sein, aus dem sie unser Universum erschufen und das wir bei der Inflationstheorie annehmen müssen wie ein ewiges, quasi göttliches Schöpfungsprinzip. Diese These liegt meinem Roman zugrunde. In der Leseprobe zum zweiten Kapitel unter "Roman" erfahren Sie mehr.

© by Klaus Windhöfel

Was ist das größte Wun-

der im Kos-

mos?

Dass dort nachweislich auf einem unscheinbaren Pla-neten die Frage nach Gott aufgeworfen wird.

Das setzt eine Potenz voraus, die bereits am Be-

ginn der Geschichte unseres Universums der Möglichkeit nach gegeben gewesen sein musste,

nämlich Sprache und Denken entwickeln zu kön-

nen sowie die Fähigkeit der Teilhabe am Geist oder der Logos-Struktur des

Kosmos.